Und nach dem Abendessen sagte er
Lass mich noch eben Zigaretten holen gehn
Sie rief ihm nach nimm dir die Schlüssel mit
Ich werd inzwischen nach der Kleinen sehn
Er zog die Tür zu ging stumm hinaus ins neonhelle Treppenhaus
Es roch nach Bohnerwachs und Spießigkeit
Und auf der Treppe dachte er
Wie wenn das jetzt ein Aufbruch wär
Ich müsste einfach gehn
Für alle Zeit, für alle Zeit….
Hier am Anfang des Lieds „Ich war noch niemals in New York“ singt Udo Jürgens von einem gutbürgerlichen Mann mit Frau und Kind den es plötzlich in die Ferne zieht. Am Anfang dieser Versuchung steht die Sehnsucht nach neuen Erlebnissen, nach neuen Erfahrungen.
Wie ist der Weg Jesu in seine Versuchungen? Er wurde vorher von Johannes dem Täufer im Jordan getauft und erfuhr da die Zusage von Gott: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich wohlgefallen.“ Dann wird Jesus in die Wüste geführt, vom Geist. Die Wüstenzeit gehört folglich zu seinem Leben als Gottessohn. Auch während seiner Verkündigungstätigkeit zieht er sich immer wieder zurück ins Gebet und sucht die Gemeinschaft mit dem Vater. Bevor er also mit seiner Verkündigung beginnt, richtet er sich für die heilige Zeit von vierzig Tagen auf Gott aus. Aber wozu nimmt er diese Herausforderung, vierzig Tage ohne feste Nahrung, auf sich? Es macht ihn wohl nicht nur verletzlicher, sondern auch sensibler und bereitet ihn so auf seine kommende Aufgabe hin, die ihn bis ans Kreuz führen wird.
Diese scheinbare Angreifbarkeit will der Widersacher nützen und erscheint bei Jesus am Ende seiner Fastenzeit.
Mit der ersten Versuchung, Steine in Brot zu verwandeln, will er die Gunst der Stunde nützen. Doch Jesus weiss, dass der Mensch zum Leben nicht nur auf das Brot aus dem Getreide des Feldes angewiesen ist, sondern auch auf das Wort aus dem Munde Gottes. Dieses Wort kann meiner Meinung nach verschiedene Gestalten annehmen, sei es als Bibelwort, als Wort eines Mitmenschen, als eingegebener Gedanke oder vielleicht als Bild im Traum. Die Lebensnotwendigkeit drückt sich auch im Lied aus, das wir vorher gesungen haben, in dem das Verlangen des dürstenden Hirsches mit der Sehnsucht nach Gott parallelisiert wird.
In der zweiten Versuchung soll Jesus Gottes Güte testen. Das Vertrauen in Gott wäre demnach nicht unbedingt. Gottes Fürsorge würde funktionalisiert. Der Wellness-Gott könnte dann nach Bedarf konsultiert werden. Die Realität Gottes entzieht sich aber einer solchen Kontrolle.
Die zwei ersten Versuchungsaufforderungen beginnen mit „Wenn du der Sohn Gottes bist…“
Die gewünschten Handlungsweisen entsprechen aber nicht dem Verständnis das Jesus in seiner anschliessenden prophetisch-messianischen Tätigkeit an den Tag legt. Jesus kennt seinen Auftrag und seine Identität nicht zuletzt dank dem Zuspruch in der Taufe. Dieser Zuspruch der Taufe, verwandelt sich im Angesicht der Versuchung zum Anspruch den es zu bestätigen gilt. Auch für uns als Getaufte Christen gilt also die Aufforderung „Werde was du bist, ein Sohn oder eine Tochter Gottes“.
In der dritten Versuchung will der Widersacher den Gottessohn von seinem Weg ans Kreuz abhalten und bietet ihm eine Alternative an, wie er die Herrschaft über die Welt erhalten könnte. Diese Versuchung rechnet damit, dass man nicht von Gott allein das Gute erwartet und der Lüge nachgibt, da es sich ja letztlich um das Versprechen eines Machtlosen handelt. Die Herrschaft ist nicht auf teuflische Weise erreichbar. Diese erkennt Gott und die eigene Begrenztheit nicht an.
Und wir? Führt unser Weg auch in die Wüste und die Versuchung?
Schon die frühchristliche Gemeinde erlebte die Versuchung als reale Situation im Leben eines Christen. Im 2. Petrusbrief lesen wir: Seid nüchtern und wachsam! Euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingen kann.
In unserem Leben ist die Lage nun nicht so eindeutig wie in der Versuchungsgeschichte des Matthäusevangeliums, hier der gottgesandte Jesus, da der teuflische Widersacher. Ich muss zuerst einschätzen mit wem ich es zu tun habe. Wem kann ich vertrauen? Wer ist mir wohlgesinnt und wer verhält sich mir gegenüber nur opportunistisch? Welchen Versprechungen darf ich glauben? Wem schenke ich meine Aufmerksamkeit?
Und wo liegen die konkreten Versuchungen? In meinen Hoffnungen, die sich als Fata Morgana erweisen? In meiner Bequemlichkeit, Trägheit oder Selbstgenügsamkeit? Vielleicht in der Gewohnheit und Zerstreuung oder der Furcht den vermeintlich einfacheren Weg zu wählen und ein unangenehmes Gespräch oder eine schwierige Aufgabe zu verdrängen..
Jetzt werfen wir noch einen Blick auf den Schluss des Lieds „Ich war noch niemals in New York“.
Dann steckte er die Zigaretten ein und ging wie selbstverstaendlich heim
Durchs Treppenhaus mit Bohnerwachs und Spiessigkeit
Die Frau rief "Mann, wo bleibst Du bloss, Wetten Dass mit Gottschalk geht gleich los"
Sie fragte "War was ?" - "Nein, was soll schon sein."
Der Mann im Lied zeigt Stärke, indem er nicht aus der Verantwortung flieht. Es bleibt aber ein deprimierender Eindruck zurück. Er bleibt nämlich passiv, weil er den Raum nicht gestaltet, in dem er lebt. Wie wärs wenn der Mann im Lied von Udo Jürgens aufs Fernsehen oder die Zigaretten verzichtete. Was würde er mit der gewonnenen Zeit oder dem gesparten Geld anfangen? Würde er neue Aufmerksamkeit und Achtsamkeit finden für seine Familie, ihre Wünsche, Freuden und Leiden und so zu einer tiefergehenden Beziehung zu Frau und Tochter kommen?
In unserer Alltäglichkeit ist es oftmals nicht einfach, dem Göttlichen auf die Spur zu kommen. Die Alltäglichkeit oder vielleicht besser gesagt die Gewohnheit kann die Sicht auf Gott verdecken. Deshalb bieten solche Vorbereitungszeiten wie die Passionszeit eine Chance Gott zu ent – decken, indem ich mich empfänglicher und freier mache. So sich selber, andere Menschen und die Welt neu oder anders denken. Dazu rufen uns auch die beiden Aktionen auf, die heute starten. Die Welt anders denken, dazu regen die Hilfswerke Brot für alle und Fastenopfer an mit ihrer Agenda zur Passions- und Fastenzeit und dem Motto Weil das Recht auf Nahrung ein gutes Klima braucht. Das Titelbild zeigt wie die Welt gemessen an der Nahrungsmittelversorgung eigentlich aussähe, Südamerika und Afrika sind folglich sehr schmal gehalten. Die Agenda finden Sie in ihrem Briefkasten.
Die zweite Aktion wurde vom Blauen Kreuz initiiert. Sie regt zu einem TimeOut an und ruft zu lohnendem Verzicht auf. Für ein bis 6 Wochen kann man auf eine alltägliche Gewohnheit (sei es das Feierabendbier, Gamen, Handy, Internet, Kaffee oder der Musikplayer) verzichten und dadurch frei für anderes werden. Das Informationsblatt zu dieser Aktion ist ihrem Gesangbuch beigelegt. Auf der Titelseite sehen Sie das Symbol für diese Aktion, eine zitternde Maus, die vor ihrem Bildschirm am Videospielen ist.
Zurück zu Jesus, wie geht es mit ihm weiter? Nachdem der Satan ihn verlassen hat, kommen nun die Engel und versorgen ihn. Damit wird die Behauptung der zweiten Versuchung widerlegt, dass Jesus das Eingreifen Gottes hätte provozieren sollen.
Nachdem Jesus die Wüste verlassen hat, beginnt er mit der Verkündigung der frohen Botschaft von der Nähe der Gottesherrschaft: Ändert euer Leben! Denn das Himmelreich wird sichtbar in der Welt.
Auf diesem Wort gründet auch die erste der 95 Thesen Martin Luthers: Unser Herr und Meister Jesus Christus wollte mit seinem Wort: Tut Busse denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!, dass das ganze Leben der Gläubigen Busse sei.
Dieser Weg des Glaubens, der Weg hin zu Gott, führt uns in der Nachfolge Christi durch die Versuchung, dabei können wir aber die Zusage des Auferstandenen Jesus für uns in Anspruch nehmen: „Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden.“ Mt 28,18
Amen.
1 Kommentar:
Hallo Thomas,
deine Predigt habe ich gerne gelesen - eine richtige Passionspredigt, die im besten Sinne dazu ermahnt, sich der geschenkten Freiheit zu erinnern und sie auszuleben.
Tja, und Udo Jürgens - ich glaube ich höre mir gleich mal das Lied (freiwillig) an, auch wenn das ein Identitätsverlust bedeutet :)!
Bei dem Wort "messianisch-prophetische Tätigkeit" wäre ich dir allerdings wahrscheinlich aus der Kirchenbank gekippt:).
Sie herzlich gegrüßt,
mit Segenswünschen zu dieser hehren Zeit,
deine Jo
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